Gegen Tanzverbot und stille Tage! 41 Veranstaltungen in München, eine in Nürnberg und eine in Erlangen

Article Body

  
Trotz Musik- und Tanzverbots in Bayern wird der Bund für Geistesfreiheit München (bfg München) an den sog. stillen Tagen - Gründonnerstag, Karfreitag und Karsamstag - feiern. Insgesamt finden 41 Veranstaltungen in 28 Münchner Clubs, Bars und Tanzschulen statt. Einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist es zu verdanken, dass es auch 2025 ein buntes Programm mit Reden, Musik und Tanz gibt
. Auch in Nürnberg findet zum ersten Mal eine Veranstaltung statt.
 
Die "Clubrevolution München" präsentiert an Gründonnerstag 22 Veranstaltungen. Bei "Bayerns größter Party gegen das Tanzverbot" kommen die Feiernden mit einem Ticket für 10 Euro in alle beteiligten Clubs. Mit dabei sind:

Und die Clubrevolution geht an Karfreitag und Karsamstag weiter - ohne gemeinsames Ticket allerdings.
An Karfreitag dabei sind:

Alte Galerie

Bistro No. 2

Filmcasino

Kulturbühne Hinterhalt

Shamrock Irish Pub

Unter Deck

An Karsamstag dabei sind - ohne gemeinsames Ticket:    

Alte Galerie

Bistro No. 2

Freiheitshalle

Assunta Tammelleo, Vorsitzende des bfg München, freut sich, "dass wir es auch dieses Jahr wieder geschafft haben, so viele Veranstaltungen auf die Beine zu stellen. Auch die Zusammenarbeit mit dem Münchner Kreisverwaltungsreferat verlief wie an Ostern 2024 sehr kooperativ und reibungslos. Dass das nicht immer so ist, zeigt leider das Verhalten des Ordnungsamts Nürnberg, welches uns die Durchführung der Veranstaltungsreihe 'Nürnberg will Tanzen' an Gründonnerstag 2024 mit 14 Clubs nicht genehmigt hat. Und auch dieses Jahr an Karfreitag, an dem wir nur eine Veranstaltung in Nürnberg durchführen, allerlei unnötige Auflagen gemacht hat. Das ist besonders absurd, weil am am nächsten Tag, also an Karsamstag, der ebenfalls ein stiller Tag ist, das Nürnberger Volksfest beginnt, bei dem zum Auftakt weit über 100.000 Besucher*innen erwartet werden."
 
Urteil des Bundesverfassungsgerichts macht es möglich
 

Warum darf an einem stillen Tag, an dem Tanzen und Feiern eigentlich verboten ist, trotzdem mit dem bfg München getanzt und gefeiert werden? Das ist einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2016 zu verdanken. Die Richter*innen in Karlsruhe hatten entschieden, dass Artikel 5 des Bayerischen Feiertagsgesetzes mit der Weltanschauungsfreiheit und der Versammlungsfreiheit nicht vereinbar ist.
Das Gericht hatte festgestellt, dass "(...) Bevölkerungsteilen anderer kultureller und weltanschaulich-religiöser Prägung durch die Auswahl des Feiertages und seinen Schutz insofern keine unzumutbaren Belastungen auferlegt werden (dürfen), als niemand gezwungen werden darf, diesen Tag entsprechend einer bestimmten religiösen Überlieferung oder auch nur im Sinne innerer Einkehr zu begehen." (BVerfG, v. 27.10.2016 1 BvR 458/10 RDNr. 66)
 
Damit folgte es einer Verfassungsbeschwerde, mit der sich der bfg München nach dem Verbot seiner "Heidenspaß- statt Höllenqual-Party" an Karfreitag 2007 durch alle Instanzen geklagt hatte. Seitdem sind an Karfreitag und allen anderen acht stillen Tagen Ausnahmen möglich, wenn Feste und Feiern Ausdruck der Weltanschauung des bfg München sind. Die Körperschaft des öffentlichen Rechts tritt ein für die strikte Trennung von Kirche und Staat sowie für Bürgerrechte und Demokratie. Dabei orientiert sich der Verband an der Charta der Menschenrechte und den Grundsätzen der Aufklärung.

Heidenspaß-Partys in München seit 2017
 

Auf Grundlage des Urteils des Bundesverfassungsgerichts hat der bfg München im Jahr 2017 "Heidenspaß-Partys" im Oberangertheater, 2018/19 im Blitz Club und 2022 in der The Keg Bar mit Tanz, Live-Musik und Kabarett veranstaltet. An Gründonnerstag und Karfreitag 2023 waren es dann schon sieben Veranstaltungen, im November 2023 (Allerheiligen, Buß- und Bettag, Volkstrauertag und Totensonntag) insgesamt 14 Feste. An Gründonnerstag, Karfreitag und Karsamstag 2024 hat es insgesamt 47 Veranstaltungen gegeben. Und an den vier stillen Tagen im November 2024 waren es 21.
 
Erste Veranstaltung gegen Tanzverbot und stille Tage in Nürnberg

In Nürnberg hingegen findet an Karfreitag, organisiert vom bfg Nürnberg und bfg München, nur eine Veranstaltung im Club Rakete statt. Hintergrund ist, dass im vergangenen Jahr der bfg München an Gründonnerstag auf Karfreitag unter dem Motto "Nürnberg will tanzen" eine Veranstaltungsreihe mit 14 Clubs in Nürnberg organisiert hatte. Diese aber wurde vom Nürnberger Ordnungsamt nicht genehmigt. Der bfg München hatte daraufhin seinen Anwalt beauftragt, eine einstweilige Anordnung zu erwirken, mit dem Ziel, die Partys doch noch zu ermöglichen. Die Anordnung wurde jedoch vom Bayerischen Verwaltungsgericht in Ansbach zurückgewiesen.

Vor wenigen Wochen, am 5. März 2025, kam es in Ansbach zur Verhandlung im Hauptsacheverfahren. Zwei Tage später hat der bfg München aus der Presse erfahren, dass das Gericht dem Ordnungsamt Nürnberg Recht gegeben hatte. Die Behörde befürchtete damals in ihrem ablehnenden Bescheid vor allem eine erhebliche Störung des Ruhe- und Stillecharakters des Karfreitags, da es sich um große publikumsstarke Betriebe im Innenstadtbereich handle. Eine schriftliche Begründung des Urteils liegt bisher nicht vor.

Lokale Bilder
Plakat Tanzverbot

Nürnberger Frühlingsfest startet am stillen Karsamstag
 
Weniger Probleme mit "publikumsstarken" Veranstaltungen  und dem "Stillecharakter des Tages" hat das Ordnungsamt offenbar mit dem Nürnberger Volksfest, das am Karsamstag, ebenfalls ein stiller Tag, startet. Obwohl es in Artikel 3, Abs. 2 des bayerischen Feiertagsgesetzes heißt, dass "an den stillen Tagen öffentliche Unterhaltungsveranstaltungen nur dann erlaubt (sind), wenn der diesen Tagen entsprechende ernste Charakter gewahrt ist", wird an Karsamstag ein großes Volksfest in der Stadt eröffnet, das nach Angaben der Organisator*innen in 16 Tagen von über zwei Millionen Menschen besucht wird. Das wären täglich ca. 125.000 Besucher*innen.

"Karfreitag und Karsamstag seien im Feiertagsgesetz unterschiedlich geregelt, begründete Robert Pollack vom Nürnberger Ordnungsamt. 'Das Nürnberger Frühlingsfest findet zudem seit 1919 zur Osterzeit statt'," heißt es am 16.04.2025 in einer dpa-Meldung.
Assunta Tammelleo kann über eine solche Aussage nur den Kopf schütteln. "Karfreitag und Karsamstag sind in der Tat in Teilen unterschiedlich geregelt, aber an beiden Tagen muss laut bayerischem Feiertagsgesetz der 'ernste Charakter' des Tages gewahrt werden. Wie das an Karsamstag auf dem Nürnberger Frühlingsfest gehen soll, kann sich vermutlich jeder selbst ausmalen. Gar nicht! Und das ist auch gut so, die Leute sollen ja feiern. Aber es ist schon ziemlich verlogen, an einem Karsamstag das Frühlingsfest starten zu lassen, gleichzeitig an stillen Tagen wie Gründonnerstag und Karfreitag das Feiern und Tanzen in Nürnberger Clubs und Diskotheken zu verbieten. Entweder Politik und Verwaltung sind der ernste Charakter der stillen Tage wichtig oder eben nicht. Das hier mit zweierlei Maß gemessen wird, ist offensichtlich. Dass Herr Pollack dann auch noch mitteilt, dass das Frühlingsfest schon immer zur Osterzeit stattfindet, reicht als Erklärung nicht aus. Wir leben immer noch in einem Rechtsstaat," kritisiert die bfg München-Vorsitzende.
 
Heidenspaß-Party in Erlangen
 
Auch in Erlangen wird an Karfreitag getanzt werden. Dem Bund für Geistesfreiheit Erlangen (bfg Erlangen) ist es gelungen vom dortigen Ordnungsamt eine Genehmigung für die Musikbar MixMax zu bekommen. Die Veranstaltung besteht aus spannenden, sinnlichen und heiteren Beiträgen, aber natürlich auch aus viel Musik und Tanz. "Die Besucher*innen werden darüber informiert, warum es Ausdruck einer Weltanschauung ist, zu tanzen und zu feiern, auch wenn aus einer überlebten Tradition heraus der Gesetzgeber an einem Gesetz festhält, das so nicht mehr zeitgemäß ist", teilt der Vorsitzende des des bfg Erlangen, Frank Riegler mit.
 
Tanz- und Feierverbot abschaffen
 
Assunta Tammelleo fordert die Abschaffung der Tanz- und Feierverbote im bayerischen Feiertagsgesetz: "Tanzverbote sind Instrumente der Bevormundung und Kontrolle von Menschen. So etwas hat in einem demokratischen Rechtsstaat nichts zu suchen. Unser Ziel ist es, diese obrigkeitsstaatlichen Relikte zu schleifen. Warum sollte jemand an stillen Tagen nicht tanzen dürfen? Woran soll sich eigentlich ein gläubiger Christ stören, wenn an Gründonnerstag eine Party in einem geschlossenen Raum stattfindet? Es kann nicht Aufgabe des Staates sein, Menschen Vorschriften zu machen, wie sie an einem Feiertag ihre Freizeit verbringen sollen. Selbstverständlich sollen und dürfen Christ*innen, in Stille und Trauer gedenken. Sie dürfen aber Anders- und Nicht-Gläubige nicht zwingen, es ihnen an einem solchen Tag gleich tun zu müssen. Daher muss das bayerische Feiertagsgesetz endlich liberalisiert werden", so die Vorsitzende des bfg München.
 
Eines ist Assunta Tammelleo wichtig zu betonen, weil der Vorwurf immer wieder erhoben wird: "Nein, wir wollen keine gesetzlichen Feiertage abschaffen, aber wir können uns eine Umbenennung von Feiertagen in einem stetig säkularer werdenden Land gut vorstellen. Und wir plädieren zudem für andere gesetzliche Feiertage, z.B. Internationaler Frauentag am 8. März, Tag der Befreiung am 8. Mai oder Tag der Menschenrechte am 10. Dezember."
 
Weltanschauliche Ansprache
 

Auf den Veranstaltungen muss der bfg München regelmäßig erläutern, was seine Anliegen sind. Denn laut Urteil des Bundesverfassungsgerichts darf es nicht nur ums Tanzen und Feiern als Ausdruck der Weltanschauung des bfg München gehen, sondern die Organisation muss auch ihren Einsatz für Bürgerrechte und Demokratie und ihre Weltanschauung erläutern. Nur dann darf gefeiert und getanzt werden.
 
Zum Schluss hat der Bund für Geistesfreiheit München noch eine frohe Botschaft: "Alle Menschen sind herzlich eingeladen, an den sog. stillen Tagen zu unseren Partys zu kommen. Und mit 'alle' meinen wir alle! Nicht nur Ungläubige sind willkommen, sondern auch Gläubige, Andersdenkende, Zweifelnde jeden Alters, jeden Geschlechts, jeder sexuellen Orientierung, jeder Herkunft. An Gründonnerstag, Karfreitag und Karsamstag wollen wir mit viel Tanz und Musik wunderbare und friedvolle 'Heidenspaß-Partys' feiern."

Lokale Bilder
Demo gegen Tanzverbot

Demo gegen Tanzverbot an Gründonnerstag 2023